09 Pythagoras

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Pythagoras: Philosoph und verehrter Meister einer religiösen Gemeinschaft im alten Griechenland 

RS_Pythagoras_w600_h420Rainer, der Jubilar, sechs Jahrzehnte haben sich an und in ihm vollendet, hat auf dem Tisch inmitten der Geschenke Platz genommen. So als ob er neben den Gaben auch sich selbst einer besinnlichen Bewertung zu unterziehen gedenke. Der Glückwunschbrief eines Freundes hat ihn in diese Stimmung versetzt. Das heißt ein Zitat darin, nämlich: “Das Alter ist kein Müdewerden, es ist ein unbekümmertes Wandern in die Ewigkeit . Und je näher wir den Toren des Ewigen kommen, desto mehr werden wir erfüllt von der ewigen Schönheit”. Rainer ist es nicht erlaubt, sich in dieser Gestimmtheit einzuschließen. Er muss sich offen halten, ist ja heute Mittelpunkt und weiß, dass er die Ehrungen und das Wohlwollen seiner Besucher dankbar anzunehmen hat. Alle sind gekommen, die zu seinem Kreise gehören, ganz gleich in welcher Nähe, was Verständnis und Interessen betrifft, sie zu ihm stehen.

Da sehen wir im Bilde Lilo und Rolf die Gläser zum-Wohle mit ihm anstoßen und vernehmen folgendes Gespräch:

Lilo: “Herzlichen Glückwunsch, lieber Rainer. Vor allem Gesundheit. Das ist das Wichtigste. Wir haben dir einen Tee für den Kreis­ lauf mitgebracht. Wie geht’s dir damit?”

Rainer: ” Ganz gut in letzter Zeit.”

Lilo: ” Na schön. freut mich. Aber das bleibt nicht so – ich weiß ja wie das mit Rolf war. Warum soll es dir besser gehen als uns. Du musst darauf achten, dass du ihn regelmäßig trinkst. Vergisst du auch nicht, dich mal untersuchen zu lassen? Blutdruck und so. Das ist wichtig, glaub‘ mir!”

Rainer: ” Ich sehe dem Altwerden gelassen entgegen und freue mich auf die große Verwandlung.”

Lilo: ” Auf was? Was soll sich wandeln? Habt Ihr euch was vorgenommen, wollt Ihr nochmal umziehen, erwartet Ihr etwa eine Erbschaft?”

Rainer: “Die große Verwandlung ist der Tod. Darauf freue ich mich.”

Lilo: “Ach du meine Güte! Davon wollen wir doch nicht reden!”

Rolf: ” Nein, damit darf man sich nicht beschäftigen. Wir denken positiv und unternehmen was, wir reisen zum Beispiel.”

Lilo: “Und interessieren uns für viele Dinge. Du solltest dich auch mehr bewegen und mal verreisen und nicht so viel über deinen Büchern sitzen. Du bist doch noch ganz gut auf deinen Beinen.”

Rolf: “Wir würden ja noch mehr reisen, aber du weißt – Lilo muss sich nach der Operation sehr in Acht nehmen und bei mir… .na, davon wollen wir nicht reden.”

Es entsteht eine Pause, denn Lilo und Rolf erwarten, dass Rainer dankbar auf ihre guten Ratschläge eingeht. Stattdessen erfahren sie…

Rainer: “Die Pythagoräer pflegten am Abend sich den Tag noch einmal in Erinnerung zu rufen. Es war ihnen geboten, Rechenschaft über ihr Tun zu geben, ihre Taten zu überprüfen,”

Lilo: “Interessant – das sollte man auch mal tun – statt Fernsehen: ob man alles erledigt und nichts vergessen hat. ”

Rolf: “Hast du die Rechnung an den Klempner überwiesen? … wolltest Du heute.”

Lilo: ” Hab ich – ich schreib mir alles auf.”

Rolf: “Man vergisst schon vieles, Gedächtnistraining müsste man machen.”

Rainer: “Das war den Pythagoräern sehr wichtig. Sie begannen keinen Tag ohne die Erlebnisse des vergangenen Tages zu erinnern. Dabei half ihnen eine Technik, den Beginn festmachen und danach die Glieder der Ereigniskette aus der Erinnerung holen.“

Lilo: “Sehr interessant – so etwas müsste man auch lernen, so eine Methode. Wo gibt es die? Bei den – wie heißen sie noch – Pythagoräern? Hast du mal die Anschrift? Rolf, hast du das gehört? Das wäre doch mal was für uns!”

Rainer: “Diese Leute haben vor rund zweieinhalb tausend Jahren gelebt.”

Lilo: “Was? So was uraltes. Und damit beschäftigst du dich? Die sind doch längst überholt.”

Rolf: “Völlig veraltet. Man muss mit der Zeit gehen. Ich habe mir jetzt ein ganz neues Hörgerät angeschafft. Super ist das. Gar nicht zu vergleichen mit dem alten.”

Lilo: “Zweitausend Jahre! Da hatten die noch das Hörrohr. Wer nimmt denn noch sowas.”

Rolf: “Wenn es das überhaupt schon gab. Wenn wir damals – ohne den heutigen Fortschritt – also dann wären wir schon lange tot.”

Lilo: ” Und um so einen veralteten Kram kümmert sich Rainer. Rolf, hast du nicht den Prospekt von dem Schweizer Hörgerät bei dir, dass du ihn mal Rainer zeigen kannst?
– – – Na lass nur, such nicht lange.”

Rolf: ” Komm jetzt, Lilo. Rainer hat noch mehr Gäste, die mit ihm reden wollen.”

Lilo: “Ja, guck mal, da hinten am Fenster steht Monika. Die will ich gleich mal fragen, ob sie noch Äpfel gebrauchen kann.”

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